E. v. Caemmerer

Ernst von Caemmerer (1908 1985)

Ernst von Caemmerer (1908-1985)

Ernst von Caemmerer wurde am 17. Januar 1908 in Berlin geboren, wo er auch seine Schulzeit verbrachte.


Studium und Assistenz bei Ernst Rabel


Das Studium der Rechtswissenschaften absolvierte von Caemmerer in den Jahren 1926 bis 1930 in München und Berlin. Prägend für sein juristisches Verständnis wurde dabei der Einfluss seiner akademischen Lehrer Martin Wolff und – in erster Linie – Ernst Rabel. Hierdurch erlangte er bereits frühzeitig eine breite geistige Perspektive auf die Rechtswissenschaft, die gleichermaßen eine dogmatische, historische und rechtsvergleichende Ebene einschloss. Nach der Promotion im Jahr 1931 folgten zunächst Einblicke in die juristische Praxis durch das Referendariat und das Assessorexamen (1934) sowie Tätigkeiten als Hilfsrichter und später als Syndikus bei der Dresdner Bank in Berlin (ab 1937). Bereits parallel hierzu verfolgte von Caemmerer aber seine wissenschaftlichen Interessen als Assistent von Ernst Rabel und sodann als Referent am Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht weiter. Die Tätigkeit am Institut erlaubte ihm vor allem auch die Mitarbeit an Rabels bahnbrechendem Werk „Das Recht des Warenkaufs“ (Erscheinen des 1. Bandes im Jahr 1936), die Ernst von Caemmerers Interesse an der Rechtsvergleichung weiter intensivierte. Sein vergleichender Ansatz war dabei, in der Rabelschen Tradition stehend, stets von einer beeindruckenden Breite des einbezogenen Materials wie auch einer Fokussierung auf die praktische Relevanz juristischer Konstruktionen und die hinter ihnen stehenden Sachprobleme geprägt.


Praktische Tätigkeit, Habilitation und Ordinariat in Freiburg i.Br.


Im Zuge der Verfolgung seines Lehrers Ernst Rabel durch die Nationalsozialisten und dessen Vertreibung aus Deutschland im Jahr 1939 verließ auch Ernst von Caemmerer das Kaiser-Wilhelm-Institut und verzichtete zunächst auf die eigentlich vorgezeichnete Fortsetzung seiner wissenschaftlichen Laufbahn durch eine Habilitation. Vielmehr widmete er sich zunächst weiter seiner Syndikustätigkeit bei der Dresdner Bank, die ihm zugleich wichtige Einblicke in die Bankenpraxis und in wirtschaftsrechtliche Zusammenhänge gewährte.


Im Zweiten Weltkrieg nahm von Caemmerer eine Position als Oberleutnant bei der Marine ein. Nach überstandener Kriegsgefangenschaft war es ihm schließlich möglich, im Jahr 1946 nach Deutschland zurückzukehren. Noch im selben Jahr habilitierte er sich an der Universität Frankfurt am Main bei Walter Hallstein. Sein bereits begründeter Ruf als Experte der internationalen Dimensionen des Privat- und Wirtschaftsrechts führte sodann im Jahr 1947 zu einem sehr raschen Ruf an die Universität Freiburg i.Br. auf die Nachfolge von Hans Großmann-Doerth.


Der Universität Freiburg i.Br. blieb Ernst von Caemmerer trotz ehrenvoller Rufe nach Köln, Bonn und München Zeit seines Lebens treu. Die Universität, die Stadt und die Region mit ihrer Lage im deutsch-französisch-schweizerischen Dreiländereck boten ihm einen idealen Rahmen für seine wissenschaftliche Arbeit und sein persönlich-familiäres Leben. Die Juristische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität hat er durch den Aufbau des Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht bis in die Gegenwart hinein nachhaltig geprägt. Auch am Wiederaufbau der Gesamtuniversität wirkte von Caemmerer intensiv mit, insbesondere als Rektor in den Jahren 1956/1957.                              

Ernst von Caemmerer als Rektor auf der 500-Jahr-Feier der Universität

Wissenschaftliche Schwerpunkte


Die wissenschaftlichen Interessen Ernst von Caemmerers blieben auch in den Freiburger Jahrzehnten breit gefächert. Sie reichten vom Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht bis hin zum Schuldrecht, in dessen vergleichenden und internationalen Dimensionen sie einen prägenden Schwerpunkt fanden. Durch den bahnbrechenden Beitrag „Bereicherung und unerlaubte Handlung“ in der Festschrift für seinen Lehrer Ernst Rabel 1954 ebnete er, anknüpfend an die Arbeiten Walter Wilburgs, in aller Klarheit den Weg für ein Fallgruppendenken im Rahmen der §§ 812 ff. BGB, durch das sich gleichermaßen interessengerechte wie praxistaugliche Lösungen entwickeln lassen. Die in diesem Beitrag konturierten Typen der Leistungs-, Eingriffs-, Rückgriffs- und Verwendungskondiktion prägen das bereicherungsrechtliche Denken in Deutschland zu großen Teilen bis heute und werden auch aus ausländisch-vergleichender Perspektive als wertvoll wahrgenommen. Die Diskussion zum Deliktsrecht beeinflusste von Caemmerer vor allem mit seinem Beitrag „Wandlungen des Deliktsrechts“ in der Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages 1960. Hier legte er dar, wie sich trotz der bewussten Absage des Bürgerlichen Gesetzbuchs an eine deliktische Generalklausel und die in mancherlei Hinsicht lückenhaft wirkenden Tatbestände der §§ 823 ff. BGB gleichwohl ein übergreifendes pflichtenorientiertes Denken in das geltende Recht integrieren lässt, das eine gesunde Balance zwischen Rechtssicherheit für die Verkehrsbeteiligten und flexibler Bewältigung haftungswürdiger Konstellationen wahrt. Aus einer übergreifenden Perspektive waren die privatrechtlichen Arbeiten Ernst von Caemmerers stets dem Ziel verpflichtet, die Gefahr einer Versteinerung der Kodifikation zu vermeiden und das Recht in einer Art und Weise zu analysieren und zu interpretieren, die sowohl für die Bedürfnisse der Rechtspraxis als auch die Impulse aus anderen großen Rechtskulturen offen bleibt. Nahtlos an die Tradition der akademischen Lehrjahre bei Ernst Rabel knüpften schließlich von Caemmerers Arbeiten zum internationalen und einheitlichen Kaufrecht an. Die Entstehung und Entwicklung der Haager Einheitlichen Kaufgesetze als Vorläufer des heutigen UN-Kaufrechts (CISG) prägte und begleitete er in den 1960er und 1970er Jahren intensiv, nicht zuletzt als Mitglied der deutschen Delegation auf den Haager Konferenzen. Wissenschaftliches Zeugnis hiervon legen unter anderem sein summierendes Referat zum Thema „Probleme des Haager Einheitlichen Kaufrechts“ vor der Zivilrechtslehrervereinigung im Jahr 1977 sowie seine Mitarbeit an dem von Hans Dölle begründeten Standardkommentar zum Haager Kaufrecht ab, den Ernst von Caemmerer sodann als Mitherausgeber zu den Nachfolgeregelungen des UN-Kaufrechts (CISG) fortführte. Im Deutschen Rat für Internationales Privatrecht wirkte Ernst von Caemmerer als Vorsitzender der schuldrechtlich-vermögensrechtlichen Kommission mit, zugleich war er langjähriger Präsident der Gesellschaft für Rechtsvergleichung von 1962 bis 1973.


Ehrungen 

                                                            

Die Bedeutung der Arbeiten von Caemmerers zog eine große Zahl an Ehrungen nach sich, von denen an dieser Stelle die Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes, der Ehrendoktorwürden der Universitäten Kopenhagen, Lund und Paris I Panthéon-Sorbonne sowie die Aufnahme als Corresponding Fellow in die British Academy genannt seien. Die besondere wissenschaftliche Wertschätzung, die Ernst von Caemmerer genoss, kommt auch plastisch in einer Äußerung Hans Carl Nipperdeys zum Ausdruck, mit der Nipperdey die eigentlich ihm zugedachte Würdigung, er sei der bedeutendste lebende deutsche Jurist, an von Caemmerer weitergab (siehe Krüger, DÖV 1968, 870).


Am 23. Juni 1985 verstarb Ernst von Caemmerer im Alter von 77 Jahren in Freiburg i.Br. 


Akademische Schüler


Korrespondierend zu der Breite und Tiefe des eigenen Werks hat von Caemmerer an seinem Institut auch einen großen Kreis akademischer Schüler herausgebildet, deren Fortkommen er mit besonderer Zuwendung und mit großem Wohlwollen förderte. Zu diesen gehörten und gehören unter anderem Hans Claudius Taschner, Wolfgang Freiherr Marschall von Bieberstein, Hans G. Leser, Karl F. Kreuzer, Detlef König, Peter Schlechtriem, Uwe Blaurock und Günter Hager. Dieser Personenkreis (mit Ausnahme des früh verstorbenen Detlef König) bildete zugleich die Gründungsstifter der Ernst von Caemmerer-Stiftung.


Literatur


Die wissenschaftlichen Arbeiten Ernst von Caemmerers sind in den Gesammelten Schriften (hrsgg. von Leser), Band I-III, 1968-1983, Verlag Mohr Siebeck Tübingen, dokumentiert.



Literatur zu Leben und Werk Ernst von Caemmerers: Leser, Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, JZ 1978, 36; Schlechtriem, Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, NJW 1978, 99; Coing, Ernst von Caemmerer und die Wissenschaft vom Privatrecht, in: Ficker/König/Kreuzer/Leser/Marschall von Bieberstein/Schlechtriem (Hrsg.), Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, 1978, 1; Leser, Nachruf Ernst von Caemmerer, JZ 1985, 735; Hager, Ernst von Caemmerer (1908-1985), in: Grundmann/Riesenhuber (Hrsg.), Deutschsprachige Zivilrechtslehrer des 20. Jahrhunderts in Berichten Ihrer Schüler, Band 2, 2010, 309 = ZEuP 2008, 506.     



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